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Wanderpokal Braunschweiger Musikschule

Andreas Berger in der Braunschweiger Zeitung vom 4.3.2022:


Alle favorisieren den Großen Hof für einen Neubau mit Konzertsaal, aber ständig gibt es neue Vorschläge.

Braunschweig Wo nun hin mit dem Haus der Musik in Braunschweig? Der jüngste Ratsantrag von SPD/Grünen, „eine Anbindung der Musikschule und/oder eines möglichen Konzertsaals an die Stadthalle zu prüfen und zu bewerten“, hat alle Beobachter und vor allem die kulturinteressierten verblüfft.

Eigentlich war man sich doch schon lange einig. Mit großer Mehrheit hatten sich die Kulturausschussmitglieder 2019 dafür ausgesprochen, dass die Verwaltung den Bau eines zentralen neuen Musikschulstandorts am Großen Hof auf dem ehemaligen Markthallengelände prüft. Es wird zurzeit unter Wert als Parkplatz genutzt und gehört der Stadt, eine Realisierung scheint daher zeitnah möglich.

Integriert werden sollte ein Konzertsaal, über die Größenordnung war man sich zunächst nicht ganz so einig, stimmte dann aber doch gemeinsam ab.

Die Musikschule braucht für alle offensichtlich, aber in einer detaillierten Bedarfsanalyse auch schriftlich dargelegt dringend einen Probensaal für ihre Ensembles wie das mehrfach ausgezeichnete Jugend-Sinfonieorchester, die Bigband und zeitgenössische Zusammenspielformate – untereinander oder mit Gastensembles wie Chören, aber zum Beispiel auch mit anderen Kunstformen wie Tanz und Performance. Letzteres ist zurzeit gar nicht möglich, eine zeitgemäße Weiterentwicklung behindert.

Die Orchesterproben finden zurzeit in der Gaußschul-Aula statt, was sie dem Schulbetrieb unterwirft und auch dort Nutzungen einschränkt (Theater-AG). Erwünscht war von der Musikschule ein Saal mit bis zu 300 Plätzen. Kulturinitiativen um den Unternehmensberater Volker Eckhardt, aber auch die Kulturverwaltung selber regten an, den Saal größer zu bemessen und modular nutzbar zu machen von 300 bis 800 oder sogar 1000 Plätzen.

Neue Angebote etablieren

Das wäre eine zwischen den 500 Plätzen im Westand und den rund 2000 in der Stadthalle noch fehlende Größenordnung. Sie wurde von inzwischen eingestellten Reihen wie dem Braunschweig Classic Festival und Soli Deo Gloria mit anspruchsvollen Ensembles der Kammer- und Alten Musik nachgefragt, die dann oft in die Region auswichen, etwa ins Lessingtheater Wolfenbüttel. Kulturdezernentin Anja Hesse erinnerte aber auch wiederholt daran, dass sich ein neues Angebot im Bereich von Jazz, Klassik, New Age, Tanz jenseits der etablierten Veranstaltungsreihen erst entwickeln könne, wenn adäquate Räume vorhanden wären.

Das Staatstheater steht mit seinen 900 Plätzen im Großen Haus selten für Gastspiele zur Verfügung, da es vom eigenen Spielbetrieb erfüllt ist. Es gastiert normalerweise mit seinen Konzerten selbst in der Stadthalle, was während deren Sanierung nun nicht möglich ist und bereits zu Stau im Theater führt.

Entsprechend wurde der Prüfauftrag um die Möglichkeit des größeren Modularsaals erweitert. Die Ergebnisse wurden bislang aber noch nicht öffentlich vorgestellt. Es gab Verzögerungen. Verzögerungen, die man sich eigentlich nicht leisten kann, da es ja auch um den ganzen regulären Musikschulbetrieb geht, der in zum Teil stark abgängigen Räumen stattfindet. Es drohen laut Verwaltung ab Ende 2023 (bis dahin gilt eine Duldung) Sanierungen und Brandschutzmaßnahmen allein am Magnitorwall für über zwei Millionen Euro, so dass die Stadtverwaltung bereits prüft, ob bis zur Vollendung eines Hauses der Musik wiederum ein anderes Objekt angemietet werden müsse.

Für Diskussionen bleibt bei solchen Verzögerungen immer viel Raum. Wo immer sich Leerstände in der Stadt auftaten, kam sofort einer auf die Idee, dort die Musikschule nebst Konzertsaal unterzubringen. Im Horten-Bau. Im Karstadt-Einrichtungshaus. Privatimmobilien, die man erstmal erwerben und für die neue Nutzung entkernen müsste.

Nun also nochmal die als Denkmal gerettete, aber noch zu sanierende Stadthalle. Ein fraglos schöner, origineller Bau, der sich mit seiner sanft aufgeschachtelten Mehr-eckgestalt bis in den Zuschnitt der Pflaster- und Grünflächen hinein als Solitär dem historischen Park zuwendet und durch das flache Autodeck von der Stadt aus sanft angesteuert wird. Der Saal mit 1800 (ohne Emporen) oder 2300 Sitzplätzen hat sich für vielfältige Nutzungen, auch für große klassische Musik bewährt und soll akustisch nachjustiert erhalten werden.

Noch in dieser Wahlperiode bauen

Wo soll die Verwaltung hier nun eine Anbindung der Musikschule prüfen? Auf dem Autodeck hätte man es sich noch vorstellen können. Aber Grünen-Fraktionschef Helge Böttcher, zugleich Kulturausschussvorsitzender, erinnert daran, dass dies nach einer Ausschreibung für einen Congress-Hotel-Neubau an die Bra-Wo vergeben sei.

„Wir denken eher daran, dass man einen weiteren Saal in der gewünschten Zwischengröße anbauen könnte. Die Musikschule selbst könnte man vielleicht auf den Flächen vorsehen, die im Zuge der Umgestaltung des Hauptbahnhofvorplatzes bebaut werden sollen.“ Und selbst wenn der Konzertsaal doch eher in diesem Gebäude angesiedelt würde, könnte er ja von der Stadthalle aus verwaltet werden.

In jedem Fall wollten die Grünen die Stadthalle weiterhin als Mehrzweckhalle genutzt wissen, nicht als bloßes Congress-Zentrum. „Ein Haus für die Bürgerinnen und Bürger, in dem Kultur, Karneval, Tanzschulen, Abibälle stattfinden.“

Er räumt ein, dass die Realisierung der Musikschule im Bahnhofsumfeld länger dauern würde als am Großen Hof. Er sehe das auch eher als Alternative, falls etwa am Großen Hof mit den umliegenden Wohnhäusern Lärmschutzprobleme aufträten. Gemäß rot-grünem Kooperationsvertrag bevorzuge er auch weiter den Großen Hof.

Dort steht: „Wir wollen eine neue städtische Musikschule vordringlich am Großen Hof innerhalb dieser Ratswahlperiode errichten.“

Die SPD-Landtagsabgeordnete und Ratsfrau Annette Schütze, Mitglied im Kulturausschuss, bricht klar eine Lanze für den Großen Hof: „Ich persönlich fände eine Musikschule mit Konzertsaal dort super.“ Sie verstehe den Zusatzprüfauftrag an der Stadthalle eher so, dass dort der Konzertsaal untergebracht bzw. der bestehende besser hergerichtet würde, damit die Musikschule zusätzliche Auftrittsmöglichkeiten erhalte. Und sie drängt auf baldige Realisierung des Musikschulneubaus. „Das muss jetzt konkret werden.“

Die CDU-Fraktion reagiert hingegen sauer auf den Prüfantrag für die Stadthalle. „Das wirft die Umsetzung der Musikschule wieder weit zurück“, sagt CDU-Ratsherr Gerrit Stühmeier, stellvertretender Vorsitzender des Kulturausschusses. Die CDU habe in der vergangenen Ratsperiode eine absolute Priorisierung des Musikschulneubaus gefordert und sich dann dem gemeinsamen Antrag für den Großen Hof angeschlossen, um Einigkeit für die Kultur zu demonstrieren. Statt aufwendig neue Varianten prüfen zu lassen, sollte das jetzt auch umgesetzt werden, betont Stühmeier: „Wir wollen die Musikschule am Großen Hof mit einem Konzertsaal von an die 1000 Plätzen.“


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